Freitagabend in Puotila. Es ist kalt und noch hell.
Es ist echt hell bis um halb zwölf, also kurz vor Mitternacht. Unglaublich.
Zuhause von meinem Treffen mit Saara mag ich noch nicht im Haus bleiben. Ich habe noch Bewegungsdrang. Verrückt, wenn man bedenkt, dass ich mindestens sieben bis acht Kilometer am Tag laufe. Und dieser Bewegungsdrang muß gestillt werden. Also Shorts aus und Jeans an. Mit einer Fleecejacke kann ich diesen Nachttemperaturen um drei Grad gut trotzen und Bewegung macht bekanntlich warm. Sanna und Bijay sagen mir, dass in der Nähe ihrer Wohnung ein kleiner See sei. Falls ihr jetzt auf die Karte stieren solltet, so wie ich mir die Hacken abgelaufen bin, laßt es einfach. Den See gibt es nicht, es handelt sich dabei – wie so oft in Helsinki – um eine Bucht der Ostsee.
Wenn ich mir jetzt den Weg auf der Karte anschaue, so weit bin ich gar nicht gelaufen. Aber es war Abenteuer. Zwischendurch dachte ich: nun bin ich verloren, ich weiß nicht mehr wo ich bin. Da war es schon dunkel. Und man darf nicht vergessen, wir sind im Zeitalter des Smartphones und des Navis und dementsprechend verwöhnt. Nur wenn das eigene Smartphone fremd am Ort ist, sprich: keinen inländischen Internetprovider hat, dann ist nix mehr mit Navi und irgendwelchen Maps. Da gilt wieder der eigene Orientierungssinn.
Im einzelen, und beim Betrachten der Karte alles ganz logisch und im Prinzip bestand nie die Chance des Verloren gehens. Aber das Gefühl des Verlassenseins war da! Am besten schaut ihr euch die Karte in der „earth“ Ansicht an. Denn Karte bietet nur undifferenzierte beigefarbene Flächen.
Hinter unserem Haus liegt ein großer Sportplatz. Den hatte ich schon länger im Auge, den zu erkunden. Also lenke ich meine Schritte dahin. Natürlich ist mitten in der Nacht keiner da! Neben dem Sportplatz ist ein kleiner Hügel, parkähnlich angelegt. Bin ja auf der Suche nach dem See, also erklimme ich die Wege zwischen den Bäumen. Kein See, dafür schräg Südosten eine Schule, die ihren Namen nicht preisgeben will. Ich finde meinen Weg über den beleuchteten Schulhof in die Rantakartanontie hinein. Diese Straße gehe ich weiter rechts runter, bis sie zu ende ist. Eine ganz normale Wohnstraße mit Häusern gefühlt aus den 70ern des letzten Jahrhunderts.
Am Ende der Straße wird es spannend. Da ist plötzlich Licht in einer Kneipe oder Cafe. Ein kleiner Park, ein ehemaliges Herrenhaus aus Holz? Ich muß es erkunden.
Es sieht lauschig aus! Das ganze nennt sich Puotilan Kartano. Ja und das ist ein kleines Cafe und ein Restaurant, in dem es auch Musikveranstaltungen gibt. Könnte man nochmal bei Tag näher untersuchen. Hinter dem Kartano befindet sich eine Kleingartensiedlung und der „See“ – Itämeri, die Ostsee. Auch der Strand von Puotila ist nicht weit. Und was ich jetzt beim Kartegucken noch spannender finde: den Tunnel der Metro. Man kann die Metro über die Brücke nach Vuosaari fahren sehen.
Hinter Puotilan Kartano gehen einige Wege ins Dickicht oder Unterholz oder wer weiß wohin … ich kann es nicht einschätzen, es gibt keine Beleuchtung, also lasse ich es. Ich wende mich also weiter nach links zu einem burgähnlichen Gebäude, dessen Wege mit eingelassenen Strahlern beleuchtet sind: Puotilan kappeli.
Eine Kirche, wie mir die Website verrät. Ein Museum gibt es dort auch. Mein Weg geht weiter die Puotilantie hinunter. Irgendwann bin ich Ecke Klaavuntie, aber ich habe meine Orientierung verloren. Ich habe den Drang irgendwie zum Itäväylä zum kommen. Das klappt aber nicht und ist auch völlig sinnfrei. Klaavuntie wäre gut gewesen, weil die zum Puotilakeskus geführt hätte. Aber abends, mit leichter Panik im Hirn, bin ich da nicht mehr so aufnahmefähig.
Gut dann stößt die Puotilantie auf die Meripellontie, ich schaffe es erst in die falsche Richtung nach rechts zu laufen. Aber schon nach ein paar Metern kommt mir das komisch vor. Wäre ich weiter gelaufen, wäre ich auf der Brücke nach Vuosaari gelandet. Auch cool, aber wie dann wieder nach Hause kommen.
Mein Instinkt sagt mir: „geh Richtung Bushaltestelle und orientiere dich“ – leider gibt es an den Helsinkier Haltestellen keine kleinen Umgebungspläne wie in Berlin. Das wäre es doch nochmal! Die Bushaltestelle hat Busse im Angebot, die zum Hauptbahnhof bzw. Itäkeskus fahren. Also diese Richtung stimmt. Ich laufe weiter. Ist nicht so wirklich toll, weil die Straße eigentlich Hauptverkehrsstraße ist. Gut Hauptverkehr in Helsinki ist nicht so heftig wie Hauptverkehr in Berlin, aber die Straßen sind auch unwirtlich genug. Irgendwann sehe ich in der Ferne:
den kenne ich , ich atme auf. Richtung stimmt wirklich. Schon bald bin ich auf der Höhe des Puotila Botby Gard – des Minigolfplatzes und kann in die Rusthollarintie einbiegen, die mich wieder nach Hause bringt. Unterwegs war ich glaube nur eine halbe Stunde. Herzklopfen hatte ich für einen ganzen Monat.
Den See habe ich nicht gefunden!
English
Nice evening walk with the idea of getting lost in East-Helsinki.
Suomeksi
Mukava illankävely ja idea „olen eksynyt“ Itä-Helsingissä
Karte
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